Schnell selbst und ohne Gutachterkosten den Immobilienwerte berechnen. Klingt verlockend. Doch halten diese Plattformen was Sie versprechen und kann ich mich als Eigentümer oder Käufer darauf verlassen? Lesen Sie, wie schnell das Ergebnis bis zu 60.000 € vom „wahren“ Wert abweichen kann.

Für das erste „Gefühl“

Die Anbieter von Onlinerechnern zur Immobilienbewertung versprechen mit geringem Mitteleinsatz eine schnelle und unkomplizierte Wertermittlung. Hört sich gut. Daher nutzen viele Eigentümer und Käufer diese Art zur Kaufpreiseinschätzung. Das „böse“ Erwachen kommt erst später, weil ein Laie die Ergebnisse anfangs nicht richtig interpretieren kann und auch nicht weiß, was sich hinter der Fassade verbirgt. Als Anwendungsbereich wird versprochen einen ersten Eindruck über die Kaufpreishöhe zu bekommen. Und was ist mit dem zweiten Eindruck? Wie sollen alle Eigenschaften einer Immobilie über den Daumen gepeilt werden? Erst wenn alle Vor- und Nachteile richtig abgewogen werden, gelangt man zum „richtigen“ Kaufpreis. Hat die Immobilie besondere Ausstattungsmerkmale? Gibt es rechtliche Auflagen? Oder ist die Immobilie vermietet? Diese und viele andere Fragen müssen geklärt werden, um überhaupt bewerten zu können. Um es vorweg zu nehmen, dass können alle Onlinerechner nicht bieten. Nehmen wir an, die Immobilie weist Modernisierungsbedarf in Höhe von 50.000 € auf. Der Kaufpreis für vergleichbare Objekte ohne Modernisierungsaufwand beträgt 200.000 €. Das wäre dann der Wert, den der Onlinerechner als erste Grundlage zur Groborientierung ausweist, wenn Sie sonst alles korrekt eingegeben haben und genügend Vergleichsfälle vorhanden sind. Der individuelle Kaufpreis beträgt hingegen 150.000 €. Mit dem „ersten Gefühl“ wird der Eigentümer ins Bockshorn gejagt und der Käufer erwirbt zu einem viel zu hohen Kaufpreis. In über 80 % aller Fälle bestehen nach meiner Erfahrung Objektbesonderheiten. Onlinerechner geben in diesen Fällen ein falsches Bild vom Wert der Immobilie ab. Sowohl für Verkäufer als auch für Käufer ein brisantes „Spiel“ mit erheblichen Konsequenzen. Online-Immobilienrechner versprechen eine Wertermittlung, dabei handelt es sich nur um einen Vergleich von Angebotspreisen aus der Datenbank des Anbieters. Der konkret erzielte Verkaufspreis steht da natürlich nicht drin, denn den kennen nur Verkäufer, Käufer, Notare und Gutachterausschüsse. Merke: Datenbanken liefern Richtwerte für Standardimmobilien, also Häuser und Wohnungen von der „Stange“. Nur Sachverständige fertigen eine echte Wertermittlung, die auch die individuellen Eigenschaften der Immobilie berücksichtigt.

Jede Immobilie ist ein Unikat: Weiß das auch der Onlinerechner?

Neben den Marketingbotschaften der Anbieter empfehle ich einen Blick in deren AGB zu werfen.

Bei der Immowelt AG heißt es u.a.: „Die Online-Immobilienbewertung ist ein automatisiert erstelltes Dokument auf Basis von Vergleichswerten aus den Immowelt-Datenbanken. Um für eine höhere Ergebnissicherheit zu sorgen und um eine unabhängige Beurteilung der Immobilie vorzuweisen, empfiehlt sich die vertiefende Wertermittlung durch einen qualifizierten Gutachter.“ Noch deutlicher wird ImmobilienScout 24 GmbH: „Wegen der hohen Komplexität und den schwerwiegenden rechtlichen Konsequenzen ist deshalb dringend davon abzuraten, als Laie ein Wertgutachten selbst zu erstellen. Im schlimmsten Fall schaden sich die betreffenden Personen damit selbst. Deutlich überhöhte oder zu niedrig Preisvorstellungen sind häufig auf ein falsch erstelltes Wertgutachten zurückzuführen. Für den Eigentümer können dann beispielsweise erhöhte Folgekosten entstehen oder die Immobilie wird unter Wert am Markt angeboten. Ein professionelles Gutachten sollte deshalb in jedem Fall die Grundlage einer Kauf- oder Verkaufsentscheidung bilden.“

Folgerichtig wird bei den Anbietern darauf hingewiesen, dass „ungewöhnliche Eigenschaften des Objekts beim ermittelten Wert nicht enthalten sind und zusätzlich berücksichtigt werden müssen.“ Zu den Objektbesonderheiten zählen:

  • Grundbucheintragungen wie Grunddienstbarkeiten, Nießbrauchrecht, Wohnungsrecht, Erbbaurecht etc.
  • Öffentlich-rechtliche Besonderheiten wie Bauplanungsrecht, Denkmalschutz, Baulasten, Altlasten
  • Nachbarschaftsrechtliche Gemeinsamkeiten wie Überbauten
  • Modernisierungs-/Instandhaltungsstau wie eine überalterte Heizungsanlage, Bauschäden, Baufehler etc.
  • Höhe der Instandhaltungsrücklage bei Wohnungs-/Teileigentum
  • Besondere Lagefaktoren wie Wassergrundstücke, Flughafennähe, Lage an einer Hauptverkehrsstraße
  • Besondere Ausstattungsmerkmale wie Kamin, Schwimmbad, Sauna etc.

Sämtliche Besonderheiten einer Immobilie sind also nicht Gegenstand einer Onlinebewertung! Die Anbieter selbst erklären, dass es sich eigentlich nicht um eine Wertermittlung, sondern um einen „Orientierungswert“ handelt, der im Einzelfall sehr stark vom tatsächlichen Wert des Objekts abweichen kann und empfehlen daher die Hinzuziehung eines Gutachters. Dann stellt sich nur noch die Frage, was genau mit solchen „Onlinebewertungen“ bezweckt werden soll?

Ungenau Eingaben führen zu falschen Ergebnissen

Ohne Ortsbesichtigung wird ein Wert fabriziert. Lediglich auf der Grundlage der oftmals laienhaften Einschätzungen des Nutzers. Eigentümer neigen dazu, Dinge schöner zu sehen als Sie sind (siehe Artikel „Denkfalle Kaufpreis“) und Käufer sehen oftmals mehr Risiken als tatsächlich vorhanden sind. Schon die Eingabe der Daten wird damit zum „Glücksspiel“.

Wie bewertet man beispielsweise die Bausubstanz eines Fertighauses? Und ist der Swimmingpool werterhöhend oder wertmindernd? Oder die Risse in der Außenwand: üblich oder gefährlich? Alleine die Ermittlung des Gebäudewertes mit zahllosen Faktoren ist ein komplexes Thema, das Sachverstand und Erfahrung erfordert und auf Fakten und komplizierte Berechnungsformeln basiert. Und ganz wichtig: Stimmt die Wohnfläche? In über 80 % aller Fälle stimmt die Flächenangabe nicht mit der Realität überein. Mehr dazu in meiner Artikelserie „Die Wohnflächenlüge“. Woher soll ein Immmobilienrechner dies wissen? Durch ungenaue oder fehlerhafte Daten wird das Bewertungsergebnis natürlich verfälscht. Deswegen übernehmen die Anbieter – anders als der Sachverständige – auch keine Haftung für das Ergebnis. Damit ist die Einschätzung wertlos. Vor diesem Hintergrund erscheint die Investition von bis zu 30 Euro nicht mehr ganz so günstig zu sein.

Woher stammen die Daten der Onlinerechner?

 Als Nutzer geben Sie 10 bis 15 Objektdaten ein und wie aus „Zauberhand“ wird ein Ergebnis erstellt. Da stellt sich die Frage, wie und womit die Onlinerechner arbeiten? Onlinerechner basieren meist auf Angebotsdaten. Angebotskaufpreise werden aber so gut wie nie realisiert. Aus empirischen Erhebungen ist bekannt, dass die tatsächlich beurkundeten Kaufpreise 10 bis 30 % unter den Angebotspreisen liegen.

Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass nicht hinter alle Immobilienanzeigen echte Objekte stecken. Manche Vermittler stellen „Fakeobjekte“ ein, um Käufer für eine Immobilie zu generieren, die sie nicht am Markt anbeten dürfen. Bauträger schalten gleich 30 Anzeigen für ein und das selbe Objekt. Denken Sie bspw. an ein in Eigentumswohnungen aufgeteiltes Objekt oder den Neubau von 20 baugleichen Reihenhäusern. Selbst als Nichtmathematiker ist schnell ersichtlich, dass dies die Statistik verfälscht.

Und es soll auch Objekte geben, die in einer Lage verortet werden, wo das Haus gar nicht liegt. Zum Beispiel befindet sich die Immobilie in einem Vorort einer Großstadt. Da der Ort gerade bei Außenstehenden wenig bekannt ist, wird das Objekt eben mal in den angrenzenden Stadtbezirk „verschoben“. Auch das verfälscht die Statistik.

Woher stammen Vergleichsdaten in kaufpreisarmen Lagen? Denken Sie hier an ländliche Gebiete mit negativer demografischer Entwicklung. Ohne echte Vergleichsdaten ist eine Immobilienbewertung nur mit Hilfe von sachverständigen Methoden durchzuführen. Aus den genannten Gründen ist die Datengrundlage vorsichtig ausgedrückt als „heterogen“ zu bezeichnen.

Praxistest: Wie man sich locker um bis zu 61.000 € verrechnen kann

 Im September 2015 habe ich den Auftrag erhalten, eine Dachgeschosswohnung in Berlin-Schmargendorf zu bewerten. Als Vorbereitung für ein Seminar, welches sich mit dem Thema Onlinebewertungen beschäftigt, habe ich neben meiner fachmännischen Bewertung alle bekannten Onlinerechner getestet. Kurz zu den Eckdaten der Wohnung:

  • Gebäude wurde 1928 errichtet
  • Das Dachgeschoss (also die Wohnung) wurde 1983 ausgebaut
  • 190 qm Wohnfläche
  • OG (ohne Fahrstuhl)
  • keine Bauschäden
  • umfangreiche Einbaumöbel (nicht mehr zeitgemäß)

Das erste Problem was ich selbst als Fachmann hatte, welches Baujahr lege ich eigentlich zu Grunde? Ich habe die Bewertung einmal mit Baujahr 1928 und einmal mit 1983 durchgeführt. Hier die Ergebnisse:

ImmobilienScout24:

639.000 € (bei Baujahr 1928), mit einer Kaufpreisspanne von 607.000 € bis 671.000 €

590.000 € (bei Baujahr 1983), mit einer Kaufpreisspanne von 537.000 € bis 634.000 €

Immonet:

552.000 € (bei Baujahr 1928)

613.000 € (bei Baujahr 1983)

Immowelt:

Für beide Baujahre 782.000 €

3 Anbieter mit signifikant verschiedenen Ergebnissen. Zufall? Leider nein. Ich habe insgesamt 25 Immobilien auf diese Weise getestet. Die Streuung der Ergebnisse war immer erheblich. Trifft ein Portal besonders oft den „richtigen“ Wert? Auch das nicht. Mal liegt der eine Anbieter näher an der Wahrheit, im nächsten Fall der Andere. Sie müssen schon viel „Glück“ haben, um in Ihrem Fall den „richtigen“ Anbieter zu finden und mit den „richtigen“ Daten zu füttern. Zwischen 552.000 € (Immonet, Bj. 1983) und 782.000 € (Immowelt) ist alles dabei. Schauen wir uns mal im Detail die unterschiedlichen Ergebnisse von ImmobilienScout24 und Immonet an. Die Differenz zwischen den Baujahren liegt bei 49.000 € bis 61.000 €. Je nach dem, welches Baujahr und welchen Anbieter man gewählt hätte, beträgt die Wertdiskrepanz also bis zu 61.000 €. Die Diskrepanz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert beträgt bei den beiden Anbietern sogar 87.000 €! Was aber verwundert ist der unterschiedlich wirkende Mechanismus. Während bei ImmobilienScout der Altbau (Baujahr 1928) höher eingeschätzt wird als der Neubau (Baujahr 1983), ist es bei Immonet genau andersherum. Was alle Anbieter nicht leisten konnten waren die umfangreichen Einbauten zu bewerten. Als Eigentümer hätte man hier einen Zuschlag kalkuliert. Der Käufer dieser Wohnung sowie drei weitere ernsthafte Interessenten haben hingegen mit einem zusätzlichen Aufwand gerechnet, weil der Geschmack der Möbel sehr individuell war. Niemand war bereit hierfür etwas zu bezahlen. Im Gegenteil, jeder Kaufinteressant hat sich ein Angebot über die möglichen Renovierungskosten besorgt. Genau diesen Umstand muss ein Sachverständiger bewerten. Dazu muss er das Ohr am Markt haben. Meine gutachterliche Expertise hat einen Marktwert von 560.000 € ausgewiesen. Dafür wurde die Wohnung schlussendlich verkauft.

Kommen wir nochmal auf die Anpreisung solcher Bewertungen und das Versprechen zurück: Mit einer Onlinebewertung bekommen Sie also ein „erstes Gefühl“. Anders als bei einem Rendezvous schaut aber hier Niemand in die Augen (fehlende Besichtigung) und es ist ziemlich dunkel (Besonderheiten bleiben unberücksichtigt, Vergleichsdaten sind verborgen). Es handelt sich also im wahrsten Sinne des Wortes um ein „Blinddate“. Ich denke Sie wissen, welche Nachteile ein solches Treffen haben kann.

Einfache Lage oder Geheimtipp

Eine alte Marktweisheit lautet: „Bei einer Immobilie kommt es auf 3 Dinge an: Lage, Lage, Lage.“ Unzweifelhaft hat die Lage den stärksten Einfluss auf die Kaufpreishöhe. In einer Großstadt wie Berlin ist eine Lagezuordnung nicht einfach. Nehmen wir bspw. die Fasanenstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf. Diese zieht sich vertikal über 1,5 km von der Hardenbergstraße im Norden bis zum Hohenzollerndamm im Süden. Dabei durchläuft sie mindestens 3 verschiedene Wohnlagenqualitäten, was sich auch an den Bodenrichtwerten ablesen lässt. Alternativ kann man auch die Wohnlageneinstufungen des Berliner Mietspiegels zu Rate ziehen. Leider kennt aber der Berliner Mietspiegel nur 3 Lageklassen. Welche Wohnlagenqualität hat Nord-Neukölln? Lt. Mietspiegel eine einfache Lage mit sozialschwachem Niveau. Es gibt hier aber sehr gefragte Quartiere und Straßen, die als sogenannte „Szene-/Trendlagen“ bekannt sind. Kauf- und Mietpreise halten tlw. mit den guten Wohnlagen Berlins mit. Immer noch eine einfache Lage? Wie soll ein Onlinerechner dies zuordnen? Selbst die offiziellen Bodenrichtwerte bleiben manchmal hinter der aktuellen Entwicklung zurück. Die Folge sind schwere Fehlbewertungen. Nur durch jahrelange Markterfahrung vor Ort und regelmäßigem Marktmonitoring können Wohnlagen marktkonform klassifiziert werden.

Tipp-Zeichen

Wegen der Individualität jeder Immobilie und der Komplexität der Wertermittlung, sollten Sie sich nicht auf Online-Rechner verlassen. Anstatt eine erste Orientierung zu bekommen, lassen Sie vom Gutachter eine „echte“ Bewertung erstellen, die auf Fakten anstatt auf Gefühlen basiert. Das zahlt sich in jedem Fall aus. Ansonsten laufen Sie Gefahr, durch ein falsches Ergebnis in die Irre geführt zu werden und verlieren im schlimmsten Fall bares Geld. Bei mir bekommen Sie als Eigentümer oder Käufer speziell für den An-/Verkauf eine kompakte Kurzbewertung zum Festpreis. Rufen Sie mich jetzt an 0800-766 799 7 (kostenlos aus dem dt. Festnetz) oder informieren Sie sich über Produktdetails.

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